peace no war
"Dem Schönen, Guten und Wahren" Die Lehre Jesu Jesus
hielt sich eine Zeit lang am Jordan auf, wo sein Verwandter Johannan
die Leute zur Umkehr und Buße aufrief. Johannan verkündete
das endzeitliche Gericht und das bevor stehende
Reich Gottes und taufte die Umkehrwilligen. Jesus wandte sich alsbald
von dem Bußprediger und dessen Anhängerschaft ab und begann auf Straßen und Plätzen zu lehren. Statt
der von Johannan geforderten Buße und Umkehr forderte er
pragmatische Klugheit, gegenseitige Verantwortung, vorausschauendes
soziales Denken und Handeln (Liebe) statt Gesetzesgehorsam und
Gehorsamsmoral. Würde
sich diese Ethik in den Herzen auch nur weniger Menschen wirksam
realisieren, würde der Keim aufgebrochen und das göttliche
Milieu könnte sich aus kleinsten Ansätzen entfalten und
gesellschaftlich manifestieren. Jesus verglich den Keim und das sich
entfaltende Göttliche Milieu mit einem Senfkorn, aus dem sich ein
gewaltiger Baum entwickeln kann. Er sagte, die Menschen trügen
diesen Keim in sich und es sei falsch, ihn außerhalb des eigenen
Herzens zu suchen. Das Göttliche Milieu
war der Kern seiner Lehre. Er umschrieb es gemäß dem
höchsten Ideal, das seine Zuhörer kannten, mit den Begriffen Gottes- oder –Himmelreichreich, beides Umschreibungen für die verbotene Nennung des Gottesnamens Jahwe.
Jedes Lehrbeispiel, jede Parabel, jeder Lehrspruch zielte darauf ab,
seine Zuhörer zu befähigen das Göttliche Milieu des
Friedens um sich herum zu realisieren. Insofern
war seine Lehre eine ebenso revolutionäre wie realistische Utopie.
Sie hatte nichts mit der fatalen Erwartung eines grausam ungerechten
Endzeitgerichtes und einer katastrophalen Umwandlung der Erde in ein
hierarchisches Gottesreich zu tun, dessen Hauptstadt ausgerechnet die
Stadt sein sollte, die er Mörderin nannte, Jerusalem. Göttliches
Wirken erklärte er im Bild väterlicher Fürsorge und
Barmherzigkeit, ohne dogmatische Indoktrination, ohne
religionsgesetzlichen Gehorsamszwang, ohne Straf- und Racheandrohung
und unabhängig von rituellen Opfern und Gebeten. Das Wirken Gottes
ist jedem erfahrbar, der sich ihm in gläubigem Vertrauen und
kindlich-naiver Liebe zuwendet. Den
von Tradition und Liturgie belasteten Begriff „Gott“ mied
er in seinen Lehrreden. An Stelle dessen setzte er das Wort
„Abba“, das den Menschen von Kindesbeinen an vertraut war.
Theologische Spekulationen, lehramtliche Würde und
Exklusivität und elitäre Schriftgelehrsamkeit waren ihm
zuwider. Er mied das Pronomen „Ich“ und gebrauchte statt
dessen das aramäische Idiom bar nasch, „Menschensohn“.
Das bedeutete unsereiner oder man. Die
Konfrontation mit dem Gottesstaat trat neben seine öffentlichen
und überaus riskanten Gesetzesinterpretationen in entscheidenden
Details der vom Gottesstaat geforderten Traditions- und Bekenntnistreue
ans Licht. So existiert z.B. kein Zeugnis darüber, dass Jesus sich
faktisch und mit allen Konsequenzen zur jüdischen Religion und
Tradition bekannt hatte. Im Gegenteil: er verglich das gottesstaatliche
Traditionssystem mit alten Ziegenhäuten, die man als Wasser- und
Weinbehälter benutzte. Er sagte, diese alten Schläuche
würden die Gärung seines neuen, jungen Weines nicht
aushalten. Der junge Wein würde die alten morschen Schläuche
sprengen und beides - Wein und Behälter - käme zu Schaden. Es
findet sich auch kein Zeugnis darüber, Jesus habe den zentralen
Bereich des Jahwetempels, den sogenannten Vorhof der Israeliten,
betreten, z.B. dass er den jüdischen Gott dort angebetet oder
rituell verehrt hat. Die Berichte erzählen nichs von irgendwelchen
liturgischen und zeremoniellen Handlungen, die Priester im Auftrage
Jesus oder er selbst zelebriert hätten, auch nicht, dass er
irgendwelchen Opfern beigewohnt hätte. Derartige religiöse
Pflichten hat er ganz offensichtlich nicht erfüllt. Wenn davon
berichtet wird, er sei „nach seiner Gewohnheit„ an den
Festen hinauf zum Tempel gegangen, dann verbindet sich damit nicht die
obligatorische Erfüllung liturgischer oder anderer Pflichten,
sondern die Tatsache, dass Jesus die Anwesenheit großer
Pilgermassen suchte und die äußeren Bereiche des Bauwerks,
z.B. den Vorhof der Heiden, als Forum nutzte. Seine Geringschätzung des Tempels lässt sich aus seinen Worten heraushören: „Reißt euren Tempel ab, ich baue in drei Tagen einen neuen“. Und
er sagte dem Tempel mitsamt seinem gewaltigen Priesterapparat und den
ungeheuren Schätzen den alsbaldigen Untergang voraus. Nichts als
ein Haufen Steine sollten von ihm bleiben; sie werden heute
ausgegraben. Wenn
Jesus von Gott redet, spricht er nicht von dem anthropomorphen
Tempelgott der Priesterschaft, oder dem Gott der Schriftgelehrten,
jenem eifer- und rachsüchtigen Herrscher über den
Gottesstaat, der seine Bundesrechte unerbittlich einfordert. - Mit
Berufung auf die Offenbarungstradition identifizierte man den All-Einen
Gott Jahwe, der sich zuerst den israelitischen Erzvätern Abrahams,
Jakobs und Isaaks als El-Schaddaj offenbart haben soll,
redaktionell mit dem noch nicht monotheistischen Schöpfergott der
vorpatriarchalen Überlieferungen, dem Gott Adams und Noahs. Die
Menschen, die Jesus zuhörten, durften den
„ehrfurchtgebietenden“, den „unaussprechlichen“
Namen ihres Gottes, das Tetragramm JaHWe in ihren Gebeten nicht
mehr aussprechen. Die Anrufung Jahwes mit seinem Namen war allein dem
Hohepriester vorbehalten und auch ihm nur einmal im Jahr am
Versöhnungstag. An seiner Stelle las der Jude Adonai, “mein Herr”. Aber auch diese Anrede wurde bald nicht mehr benützt und durch die Abstraktion Himmel ersetzt, ein Wort, das im Hebräischen nur in der Zweizahl (Dual) vorkommt. Der Gebrauch von Himmel als Gottesnamen war den Römern so auffällig, daß sie die Juden ironisch coelicolae, das heißt „Himmelsanbeter” nannten. Neben Himmel kannte man auch die Bezeichnung Der Heilige, die mit dem Segensspruch gelobt sei er ergänzt werden. Die ausgreifende Abstrahierung führte dazu, den verbotenen Jahwe-Namen auch mit den Begriffen „Der Ort“, „Die Kraft“ und insbesondere mit dem Ausdruck Schechina
„göttliche Gegenwart” zu interpretieren.. Eine weitere
Stufe dieser Entwicklung zeichnete sich in der Übernahme des
Begriffs „Die Stimme Gottes“, und daraus schIießlich ma’amar oder memra „Wort“ ab, ein Begriff, der inhaltlich dem griechischen Logos entlehnt sein dürfte, der bei Heraklit im Sinne von Weltidee und Philos im Sinne von Weltvernunft gebraucht wurde. Der
Gott in Jesu Lehre ist frei von nationalen und kulturellen
Begrenzungen, frei von beengenden Gehorsamszwängen und frei von
einer Theologie des Hasses und der Rache, ein Gott, dessen Liebe und
Fürsorge sich nach dem Bild eines archaisch-idealen Vaters nie
erschöpft, sofern sich ihm der Mensch in unbefangenem Vertrauen
zuwendet. Aus
dieser Gottesvorstellung entwickelt Jesus konträr zum
jüdischen Religionsgesetz seine allgemeingültige Ethik, die
bestimmt wird von den Werten schlichter wie tief überzeugter
Frömmigkeit, sozialer Verantwortung und aufrichtiger Gesinnung.
Die Projektion einer Welt, die durch diese Werte neu geschaffen wird
und in und mit der sich der seit Urzeiten geglaubte Heilswille Gottes
konkretisiert nannte er Goettesreich. Gesinnung kontra Gehorsam Geradezu
eklatant und herausfordernd ließ es Jesus an dem gesetzlich
eingeforderten Gehorsam gegenüber allen Eckpunkten der judaischen
Tradition mangeln. Dieser Ungehorsam disqualifizierte ihn
zwangsläufig als Sünder und Frevler gegen die göttliche
Weisung und damit als Verräter des Gottesstaates. Das
Wort Gehorsam ist aus dem Munde Jesu bezeichnenderweise nicht zu
hören. Seine Gesinnungsethik kann auf dieses Folterinstrument
für die menschliche Freiheit in der Hand der Mächtigen
völlig verzichten. Als
er einmal aus dem Hinterhalt gefragt wurde, welches denn das
größte Gebot sei, sagte er, das ganze Gesetz samt seiner
prophetischen Interpretation erschöpfe sich allein im Gebot der
Gottes- und Nächstenliebe. Von Gehorsam war da kein Wort. Und
bei einer anderen Gelegenheit sagte er im Rahmen einer Unterweisung
über das soziale Zusammenleben der Menschen, das Gesetz und dessen
Kommentierung durch die Propheten erfülle sich bereits, wenn die
Leute stets so handelten, wie sie es auch von ihren Mitmenschen
erwarteten.. Das
war keine Gehorsamsmoral, das war Gesinnungsmoral. Gott lieben und die
Mitmenschen wie sich selbst und dazu die individuelle Erwartungshaltung
zur allgemeinen Handlungsmaxime zu erheben, das war die Ethik Jesu, mit
der er die Thoraorthodoxie relativierte. Dort
wo diese Ethik das Leben der Menschen bestimmte, dort würden sie
frei und fähig, das göttliche Milieu zu entfalten. Ethik kontra Gesetz Der
Behauptung des jüdischen Professors Klausner, Jesus habe kaum eine
Maxime ausgesprochen, die dem Judentum von Grund aus fremd gewesen
wäre, ist prinzipiell nicht zu widersprechen. Man
muss allerdings entgegenhalten, dass die Ethik Jesus in ihren
Grundzügen noch weitaus intellektueller und ausgeprägter von
Taoismus, Buddhismus und Vedantismus mitgetragen wird, als von der
judaischen Weisheit. Jesus hat ja auch nicht behauptet, dass er der Erfinder von etwas Neuem sei. Er hat betont, das „Gesetz“
nicht aufheben sondern erfüllen zu wollen. Dass er damit nicht das
judaische Religionsgesetz gemeint haben konnte, von dem er sich
lossagte und dessen Missbrauch er auf Schritt und Tritt anprangerte,
muß außer jedem Zweifel liegen. Jesus
hat die allgemeine humane und religiöse Grund- und Gesinnungsethik
freigelegt, die in der alten Thora stellenweise zum Ausdruck kam, unter
der Last der erstarrten Gesetzesreligion jedoch verschüttet und
begraben wurde. Er
hat sie aus der Enge ethnischer Vereinnahmung wieder ans Licht gezerrt.
Er hat das sie unterwandernde Unkraut von
Überlieferungshörigkeit, Wortgläubigkeit und
Gehorsamsideolgie ausgerissen und den Boden bereitet, dass das in ihr
eingefaltete göttliche Milieu sich unter den Menschen kreativ
entfalten kann. In
einer dem Alltag entliehenen Parabel schildert er die große
Freude, die er selbst empfunden haben mag, als er diesen verlorenen
Schatz wiederfand. Welche
Hausfrau, die 10 Drachmen hat und verliert eine davon (Ein Tageslohn),
zündet nicht sogleich ein Licht an, kehrt das Haus aus und sucht
alles sorgfältig ab, bis sie sie findet? Und wenn sie sie dann
gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und
sagt: Ach, freut euch doch mit mir. Ich hatte ein Drachme verloren und
nun habe ich sie wieder. Man
muss genau hinhören: Jesus spricht nicht von einem Schatz, den das
Glück zuspielt. Er spricht von verlorengegangenem und
wiedergefundenem Eigentum. Er spricht von einem Verlust, der
schmerzhaft erfahren und dessen Wiedergewinn umso freudiger empfunden
wird. Hier
wird das wirkliche Motiv für den kurzen aber vehementen und
tödlich endenden Kampf Jesu gegen legalisiertes Unrecht und
für dessen Überwindung erkennbar. Es erinnert an die
weltbewegende Erfahrung des Buddha unter dem Bodhibaum. Jesus
empfiehlt die Rückkehr oder die Umkehr zu der natürlichen
Grundethik, wie er sie in seiner Gesinnungsmoral und
Gesinnungsreligiosität lehrt und interpretiert. Sie sei ein
sanftes Joch, sagt er. Das heißt, sie ist unkompliziert,
unbelastend und erleichternd. Da er sie selbst lebte, konnte man sich
davon überzeugen und einladen lassen, mit ihm zu gehen und von ihm
zu lernen: Nicht
gesten- und wortreich zur Schau gestellt spricht der Mensch mit Gott,
sondern in stiller, zurückgezogener Zwiesprache. Nicht die Darbringung von Opfergaben, sondern die großherzige Entschuldung des Mitmenschen ist geweihtes Opfer. Nicht eine herausposaunte Spende wird dem Herzen gerecht, sondern die stillen Wohltat. Nicht das Töten ist das Verbrechen, sondern der Zorn schon, der das Herzen vergiftet. Nicht der faktisch vollzogene Ehebruch ist das Vergehen, sondern die Begehrlichkeit schon, die das Herz verdüstert. Nicht
das Recht, Schadensausgleich zu fordern, ist dem Heil des
Geschädigten dienlich, sondern dem Schädiger zu dem
Genommenen noch hinzuzugeben, zeugt von rechter Gesinnung. Nicht
den Feind zu hassen, sondern für den Feind bei Gott im Wort zu
stehen, entspricht dem Geist des göttlichen Milieus.
Die zwischen Juden und Christen immer wieder aufflammende Frage: „Wer trägt die Schuld an Jesu Tod?“
kann mit dem folgenschweren Urteil des römischen Präfekten
Pontius Pilatus als oberste Rechtsinstanz in dieser Sache nicht beantwortet werden. Der
römische Präfekt hat zwar - widerwillig und in keiner Weise
überzeugt - ein Urteil auf der Grundlage gefällt, Jesus habe
sich angeblicher Rechtsverfehlungen gegen die Interessen Roms zu
Schulden kommen lassen. Dies
wurde ihm aber mit der unerbittlichen Forderung der geistlichen und
weltlichen Repräsentanten des judaischen Gottesstaates nach
Hinrichtung dieses Mannes angezeigt. Und die Berichte sind darin
eindeutig, dass die judäische Seite dem römischen
Amtsträger keinen Spielraum ließ. Die
Ursachen dieses geschichtsträchtigen Ereignisses dürfen also
nicht bei der römischen Provinzialverwaltung, sondern müssen
im gottesstaatlichen Interessengemenge gesucht werden. Wie an einem
roten Faden ziehen sich die Konflikte Jesus mit dem Staats-, Rechts-
und Traditionssystem durch die Berichte. Viel
zu schroff und abweisend, viel zu unnachgiebig hat er sich von
tragenden Elementen des Gottesstaates distanziert. Er machte Front
gegen die allumfassende Gesetzesideologie, die jeden Ansatz ethischer
Entwicklung und spiritueller Religiosidetität erstickte. Die
Vertreter des Systems, jene Gelehrten, die das Gesetz zu ihrem
Lebenszweck gemacht und zu einem immer undurchdringlicheren Geflecht
verdichtet hatten, machte er sich zu unnachsichtigen Feinden. Er nannte
sie eine Schlangenbrut, Heuchler, voller Raub und
Unmäßigkeit. Blinde
Führer seien sie, die wohl aus ihrer Suppe die Mücke fischen,
das Kamel darin aber verschlucken. Er sagte, sie sorgten sich darum,
vor den Leuten gesetzestreu zu erscheinen, in ihrem Inneren aber seien
sie potentielle Heuchler und Gesetzlose. Er
warf den Männern des frommen Scheins schonungslos Betrug und
Verantwortungslosigkeit den Menschen gegenüber vor und
unermessliche Gier. Anis- und Kümmelkörnchen wögen sie
penibel für die Tempelsteuer ab, klagte er sie an, die
wesentlichen Dinge, Recht, Barmherzigkeit und Treue aber hätten
bei ihnen kein Gewicht.. Die Begriffe "Himmelreich" und "Gottesreich" werden in diesem Vortrag modern mit "Göttliches Millieu" transferiert. |