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Jabusch der Gottesfreund

Ein bebräischer Mythos


In grauer Urzeit, da Götter unter Menschen wandelten,

sich mit ihnen in heiligen Bünden verbanden,

in jenen Tagen ferner Vorzeit, da lebte

im Lande Uz, jenseits des Toten Meeres,

ein Mensch, sein Name war Jabusch.


Untadelig nach göttlich gebotenem Gesetze lebend,

dem Bösen stets abhold,

erwarb Jabusch die Gunst des Höchsten der Himmel,

in deren strahlendem Lichte wandelnd

des Mannes Wohlergehen und Reichtum sich stetig mehrte.


Sieben herrliche Söhne, drei liebreizende Töchter zierten den Hausstand.

Reich war sein Haus an Gesinde, rühmlich der Besitz:

Siebentausend Stück prächtiges Kleinvieh, dreitausend edle Kamele,

fünfhundert Joch kraftstrotzender Ochsen und fünfhundert brave Eselinnen

standen auf Weiden und füllten die Ställe.


All das noch mehrte den Reichtum des Jabusch.

Zum mächtigsten Sohn des Ostens ward er,

kein Mann lebte im Lande, der nicht seiner Freundschaft begehrte.

Und doch blieb Jabusch in Treue verbunden dem Gott seines Volkes,

und Hoffahrt und Undank blieben ihm fremd.


Da seine Söhne zu Männern gereift, und,

auch sie gesegnet mit Söhnen und Töchtern,

den Reichtum des Vaters mehrten,

übten sie Brauchtum, einem jeden von ihnen den Tag zu bestimmen,

an dem er den andern und Gästen ein Gastmahl hielte.


Und stets war da Jabusch, der gottergebene Vater,

und auch die drei liebreizenden Schwestern,

zusammen in üppigem Male mit ihren Gästen zu speisen,

sich an köstlichem Tranke zu laben

und ihrem Gott den Reichtum feiernd zu danken.


Nach jedem Male hieß Jabusch die Kinder zu sich,

vollzog die Reinigung, so wie's das Gebot des Höchsten befahl,

in väterlicher Sorge befangen,

der Kinder Herzen und Zungen seien im Festrausch

womöglich durch Fehl und Fluch verunreinigt.


Und noch ehe die Sonne ihren Lauf begann,

erhob sich der Gottgetreue vom Lager,

brachte nach Zahl seiner Kinder Brandopfer dar,

den Zorn des Höchsten, soferne durch Sünde der Kinder erregt,

zu sänftigen im Keime noch.


So also lebte und handelte Jabusch, der Gottesfreund,

und der Höchste vergalt es ihm mit Wohltat.

*

Und es traten hin die zahlreichen Söhne der Gottheit

vor ihren himmlischen Vater, Bericht und Nachricht zu geben,

von dem, was auf Erden sie gewirkt, was sie vernommen.

Und unter Ihnen war Scheit, der Herrliche,

der Bringer des Lichts, wie selbst die Menschen ihn nannten.


Ihm ward vom Höchsten zum Auftrag gegeben,

in den von Fehl umdunkelten Seelen

Reue und Willen zur Umkehr zur wecken,

das Licht der Erkenntnis zu tragen,

die Pein des Lebens folge dem Bruch mit Gott.


Und Scheitan reizte die dem Höchsten abholde Seele

versuchte listenreich die Sinne,

und war sie ihr verfallen, so klagte er verstellt sie an,

bis sie in eignem Zerrbild selbst den Bruch mit Gott erkannte,

und fortan mied des Scheitans Prüfung zu verfallen.


Sah auch der Mensch den Scheitan düster,

verzerrt von der erfahrnen Seelenpein und Schulderkenntnis,

der Höchste liebte Scheitan seines Opfers wegen,

und der verirrten Menschenseelen willen,

die er geläutert und erhellt den Himmeln wieder nahebrachte.

Doch sah er oft auch Not,

den Eifer seines Sohnes zu befrieden,

damit nicht auf dem allzustrengen Wege

die Seele noch vor dem Ziele verderbe,

die's eigentlich zu retten galt.


Da nun der Gott des Scheitans wurde inne,

inmitten seiner Gottessöhne großer Zahl,

hieß er ihn kommen, sprach zu ihm:

"Woher, mein Sohn, kommst Du?

Was tatest Du auf Erden?"


Und Scheitan trat vor seinen Vater hin und sagte:

"Ich streifte umher, erging mich, und tat was Du mir geheißen."

Der Höchste aber sprach und fragte prüfend:

"Hast Du auf meinen Freund dein Augenmerk gerichtet?

Den frommen Jabusch im Lande Uz?


Ich weiß, auf Erden ist ihm keiner gleich,

Ohn' Tadel ist er, aufrecht, ohne Falsch,

er dient den kleinen Götzen nicht,

er meidet Böses, tut nur Gutes

ist angesehen und ein wahrer Gottesfreund.


Doch Scheitan widersprach dem Höchsten:

"Ist es umsonst, daß Jabusch gottesfürchtig ist?

Beschirmst nicht Du sein Haus,

errichtest Zaun um Zaun, sein Eigentum zu schützen?

Segnest Du nicht seiner Hände Werk?


Was sollt' dem Jabusch wohl mißlingen?

Sein Besitz greift um sich weit und breit im Lande.

Des Schicksals Tücke erreicht ihn nicht! -

Doch streck aus die Hand, du gegen ihn, rühr an sein Eigentum! -

Wahrhaftig, Jabusch wird wie andre dir ins Antlitz fluchen."


Der Höchste zürnte Scheitan nicht und sprach:

"Was eigen ist dem Menschensohne Jabusch,

ist Dir in deine Hand von dieser Stunde an gegeben.

Doch eines! - Achte wohl auf meinen heil'gen Willen:

Wider ihn und sein Leben wage nicht die Hand zu heben."


Und Scheitan ging vom Angesicht des Gottes

hin zu Jabusch im Lande Utz,

zu versuchen und anklagen,

den Frommen, wie der Höchste ihm es gestattet.

Und bald geschah's, da trat ein Bote hin zu Jabusch

und sprach nach Atem ringend:

"Herr! Deine Rinder, sie waren grad beim Pflügen,

und deine Eselinnen, sie weideten auf naher Au.

Da kamen Fremde, fielen über deine Knechte her

und schlugen sie mit scharfem Schwerte.

Sie raubten das Nutzvieh sämtlich.

Ich allein konnt entrinnen, um's dir zu melden."


Der Bote hat nicht ausgeredet,

als schon ein anderer kommt ins Wort ihm fallend:

"Oh, Herr! Deine Schafe, sie weideten friedlich.

Da fiel das Götterfeuer vom Himmel, fraß sie samt der Hirten.

Ich allein entrann, um's dir zu melden!"


Noch hat dieser nicht geendet,

als wieder ein anderer hinzutritt und spricht:

"Oh Herr, ein fremdes Volk erschien von ferne,

kam näher, bedrängte deine Karawane.

Sie raubten die Kamele - alles, die Knechte erschlugen sie.

Ich ganz allein konnt entkommen, um's Dir zu melden."


Und noch hatte auch dieser nicht ausgeredet,

als ein anderer von Schrecken gezeichnet kommt

und hinfällt vor Jabusch und ruft:

"Oh Herr! - Deine Kinder, Deine Söhne und Töchter, und deren Gäste! -

Sie saßen sämtlich beim Gastmahl im Hause des Ältesten, tranken Wein.

Da brauste heran ein Sturm, gewaltig von jenseits der Wüste,

ergriff das Haus an seinen Festen, walzte es nieder,

begrub es samt deiner Kinder unter dem Sand der Wüste.

Alle starben, ich allein blieb verschont, um's dir zu melden."


Da stand Jabusch auf, zerriß sein Gewand.

Er schor sich das Haar vom Haupte.

Dann warf er sich nieder, betete zum Höchsten der Himmel:

"Nackt kam ich in die Welt,

nackt verlasse ich sie wieder.

Der Höchste hat gegeben,

der Höchste hat genommen.

Der Höchste sei gepriesen."

Und Jabusch lebte von nun an in Armut,

doch blieb er dem Höchsten treu,

versündigte sich nicht, hielt ab davon,

seinem Gotte Torheit nachzureden.




E.O James greift, um das Verhältnis zwischen Hochgott - und Götter-, Geister- und Dämonenglauben zu charakterisieren und von dem sich später entwickelnden Monotheismus abzugrenzen auf Erfahrungen mit Glaubensvorstellungen primitiver Völker zurück und stellt fest, daß monotheistische Vorstellungen von Gott  nicht das ausreifende Ergebnis animistischer und polytheistischer Ansätze waren, deren Funktion sich im Laufe der Entwicklung an dem Monotheismus erschöpften, sondern daß Vorstufen des von den Hebräern formulierten Monotheismus animistischen und polytheistischen Gottesvorstellungen voraus- oder mit ihnen relativ gleichwertig einhergingen. (e.O. James, Religionen der Vorzeit). 

Theo Trautner (Paffrath)
14. September 2017




 
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