Anthropozentrismus
"Welches ist das Wesen, das in solchem Ansehen geschaffen ist?
Es ist
der Mensch,
die große, bewundernswerte lebendige Gestalt,
die in
den Augen Gottes
wertvoller ist als alle Geschöpfe.
Es ist der
Mensch;
für ihn sind der Himmel und die Erde
und das Meer
und die
gesamte Schöpfung da".
Kathechetische Glaubens Doktrin der größten christlichen Religionsgemeinschaft - weltweit verbreitet
Ende des 20. Jahrhunderts
hatte das Christentum einen Anteil an der Weltbevölkerung von
rund 2,26 Milliarden Anhängern. Es ist damit bis heute die
weltweit am meisten verbreitete Religion. Die Ethik und die
Glaubenslehren dieser Religion haben vor allem auf Grund der
kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und militärischen
Dominanz des Westens globale Bedeutung, gleichgültig ob sie
praktiziert, überliefertt werden oder zur Diskussion
stehen.
Grundlage sind gewisse althebräische "Heiligen
Schriften", deren Inhalte über das Christentum nationale
Rechtsprechungen und Gesetzgebungen, Erziehung und
Wissenschaft und das gesellschaftliche Leben insgesamt formen
und prägen, und internationale Beziehungen direkt oder
reflektierend beeinflussen. Sie überliefern Sagen,
Geschichten, Mythen, Legenden von Göttern, Kriegshelden,
Propheten, Sehern und Weisen, deren Ursprünge bis in
archaische Zeiten zurückreichen. Sie wurden von
nomadisierenden Sippen, Stämmen und Völkern im Orient zunächst
nur mündlich überliefert.
Mit der Gründung des
Königtums hebräischer Volksstämme und der Errichtung eines
politischen und religiösen Zentrums in Jeruschalajim wurde
eine Stämme übergreifende Identität Israels gestiftet, in
deren Mittelpunkt die Gottheit Jahwe und ein ihr geweihter
Tempel stand. Andere noch lebendige Überlieferungen,
vorwiegend die des aramäischen Gottes El wurden von
Jahwe-Priestern mit der Überlieferung des Jahwe kompatibel
gemacht und literarisch verschmolzen. Jahwe avancierte zum
Staatsgott einer Theokratie, die ihn als all-einen Gott
festschrieb, der neben sich keinen andere Gottheit duldete und
dessen Weisungen und Normen uneingeschränkte Absolutheit
beanspruchten.
Der sich daraus expansiv entwickelnde
Normenkodex göttlicher Weisungen, "Thora", wurde in
hellenistischer Zeit mit griechisch "nomos", das heißt
"Gesetz" übersetzt. Da man davon ausging, dass Jahwe Herr der
Geschichte Israels sei, und Geschichte nichts anderes, als die
Offenbarung des Willens und Unwillens der Gottheit wurden
geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen dem Kodex
progressiv hinzugefügt.
Das Verständnis der in ihrem
Kern fürsorglichen alten Weisungen Gottes wandelte sich zur
Gottesfurcht´und zum Erleiden des literarisch definierten
Willens einer egozentrischen, launenhaften, unberechenbaren
und mehrheitlich bedrohlichen und strafenden Gottheit. Die
monotheistisch- theokratische Fixierung behinderte das Volk
sich kulturell und gesellschaftlich zu erheben und
fortzuentwickeln. Der Staat geriet in religionsgesetzliche
Erstarrung.
Obwohl die frühen Christen die intrigant
praktizierte Härte dieses (neuen) Gesetzes und seiner
Interpreten leidvoll erfahren mussten, verknüpften sie es
dennoch unauflöslich mit ihrer messianischen Verkündigung des
Christus und übernahmen es als "geheimnisvolle" Offenbarung
des durch die Geschichte wirkenden Heilswillens Jahwes. Ohne
die dogmatische Fixation auf sein literarisches Fundament des
Altes Testamentes wäre das Christentum geschichtslos und
unverständlich.
Der beginnende Teil des Alten
Testamentes sind "Die Fünf Bücher des Moses". Deren Erstes
trägt den Namen Genesis und erzählt unter anderem die
Erschaffung der Welt als Ganzes und des Menschen. Davon
ausgehend ist die Grundlage des jüdischen Schöpfungsglaubens
die Überzeugung, Gott habe die ganze Welt geschaffen und den
Menschen als Treuhänder bzw. Statthalter eingesetzt, "dass er
sie bebaute und bewahrte".
Jüdische Denker
definieren zwischen dem 2. und 7. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung die Schöpfung als von Gott, so wie sie ist, frei
und bewusst gewollt. Der Mensch ist als Verwalter an die
Spitze der Schöpfung gesetzt, es folgen die Tiere und erst
dann die Pflanzenwelt.
Dieses auf der abstrakten und
theoretischen Ebene auf Gott zentrierte Weltverständnis wird
auf der praktischen Ebene der Handlungsanweisungen in ein auf
den Menschen zentriertes Weltverständnis übersetzt: Der Umgang
mit der Natur orientiert sich an den Bedürfnissen des Menschen
und nicht am Schutz seines und anderer Lebewesen Lebensraum in
Natur und Umwelt.
Das Verbot willkürlicher Zerstörung
von Natur und Kulturgütern richtet sich daher in der
Hauptsache auf deren ökonomische Nutzbarkeit. Religiöse,
soziale, ökonomische und moralische Motive bestimmen somit
nicht den Umgang mit der Natur mit Blick auf Ökologie und
Naturschutz. Stattdessen stehen im Fokus der Lebensraum des
Menschen und er selbst.
Auf christlicher Seite sind
besonders in den 1970er Jahren Stimmen laut geworden, die das
aus der jüdischen Tradition übernommene Naturverständnis des
Christentums für die aktuelle ökologische Krise
mitverantwortlich gemacht haben. Die Kritik am
christlich-jüdischen Naturbild zielt auf die
Schöpfungsvorstellung des Alten Testaments.
Der
Schöpfer wird als transzendent von seiner Schöpfung deutlich
geschieden verstanden. Die Welt als Schöpfung wird pragmatisch
radikal als Gott-los und damit als recht- und schutzlos
definiert. Diese profan verstandene Schöpfung wird dem
Menschen als sein Herrschaftsbereich gegeben. Als nach dem
"Bild Gottes" Geschaffener wird der Mensch zum Statthalter
Gottes und aus der Natur herausgehoben.
Mit diesem
völlig entheiligten Naturverständnis - so die Quintessenz der
Kritik -habe das Christentum aus dem Alten Testament heraus
dem neuzeitlichen naturwissenschaftlichen und technokratischen
Weltverständnis Vorschub geleistet und für die moderne
Umweltzerstörung die ideologische Voraussetzung geliefert.
Unter Berufung darauf, dass das aus dem Judentum
hervorgegangene Christentum seit zwei Tausend Jahren die auf
archaische Mythen des Alten Testaments begründete Aufforderung
Gottes an den Menschen verbreitet, sich die Erde untertan zu
machen und über die Kreaturen zu herrschen (1 Mose 1:28) wird
der jüdisch-christlichen Tradition von vielen Seiten eine
massive Mitschuld an der aktuellen ökologischen Krise
zugeschrieben.
Als theologische Reaktion auf diesen Vorwurf wurde der
Herrschaftsauftrag an den Menschen über die Natur in der
sogenannten Einjeitsübersetzung der Bibel so interpretiert, dass
er nur der "Statthalter Gottes" sei und als Christ nur die
Verantwortung für Bestand und Fortbestand der Natur als
Schöpfung trage.
Abgesehen von dieser
anhaltend archaischen und anthropozentristisch überzogenen
Interpretation zeigt der herunterkommende Zustand des
Planeten, der menschlichen Gesellschaft und der Rückgang in
Flora und Fauna, dass der so genannte "Statthalter Gottes"
sich mitnichten um derartige Wort- und Sinndeutungen schert.
Vor allem dann nicht, wenn sie seinem Streben nach Genuss,
Glück und um Allmacht und Besitz entgegenstehen.
So
muss der angerichtete weltweite ökologische und kulturelle
Schaden aktuell als irreversibel erscheinen. Denn zweitausend
Jahre lang wurden altorientalische und ursprünglich auf ein
kleines Volk nomadischer Herkunft begrenzte Traditionen in
christliche Glaubens- und Lehrsätze gekleidet und dogmatisch
festgeschrieben und ehern als Gottes Wille und
Gesetzbeschworen, verkündet und gelehrt. - Wer könnte also dem
folgende sakrosankten Auftrag widersprechen? (Altes Testament,
Buch Genesis 1.27-31) :
Seid fruchtbar,
und mehrt
euch
und füllt die Erde
und macht sie euch untertan.
Und herrscht über die Fische im Meer
und über die
Vögel unter dem des Himmel
und über das Vieh und über
alles Getier das auf Erden kriecht.
Seht ich habe euch
gegeben alle Pflanzen,
die Samen bringen, auf der ganzen
Erde,
und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen zu
eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln
unter dem Himmel und
allem Gewürm, das auf Erden lebt,
habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben.
Und es
geschah so.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte,
und siehe, es war sehr gut.
Die
beiden hebräischen Kernausdrück, die bestimmenden Vokabeln
kabasch "untertan machen", "unterwerfen" und radah "herrschen"
bedürfen einer viel mächtigeren Wortübertragung. Denn
die "weitaus meisten Ausleger sehen in kabasch (wie in radah)
"besonders starke Ausdrücke" (Gunkel)."
"Nach W.H.Schmidt heißt
kabasch "niedertreten", "Gewalt antun", "mit Gewalt zu Sklaven
machen"; d.h.: Die Erde soll dem Menschen voll und ganz
untertan, ihm hörig sein.
B. Jacob ein anerkannter
jüdischer Schriftausleger sagt: "Mit diesem einen Wort ...
(kabash) ist dem Menschen die uneingeschränkte Herrschaft über
den Weltkörper Erde verliehen..."
"Nach Schmidt
bedeutet auch radah eine unumschränkte Herrschaft, der
gegenüber es keinen Widerstand gibt, ein hartes schonungsloses
Unterjochen
Die jüdische Sprachmentalität im Alten
Testament berücksichtigend drücken diese harten Übertragungen
wohl das Wort- und Weltverständnis der biblischen Autoren aus,
man denke an die Terminologie der sogenannten Landnahme nach
dem Exodus.
Dem gegenüber nimmt sich die Wahl der
Wortäquivalente u.a. in der Einheits- und in der
Buber/Rosenzweig-Übersetzung, wo "nur" noch von "bemächtigen"
und "schalten" die Rede ist, und einiger einzelner
Schriftausleger als unzulässig mildernde Sprachbeugung aus.
Denn nicht in ihrem Sinne hatten das Judentum und das
Christentum Jahrausende lang den Herrschaftsauftrag
praktiziert, sondern sie taten es im Sinne der härtesten
Auslegung, die der Text erlaubt:
Die im folgenden Text
mit einem Stern und fett markierten Ausdrücke sind
korrigierende Übersetzungsvarianten der hebräischen Vokabeln kabash und
radah die an unterschiedlichen Stellen im Alten Testament
vorkommen (Hinweise siehe oben).
Seid fruchtbar, und
mehrt euch und
füllt die Erde und
nehmt sie ein,*
bemächtigt euch ihrer,
macht sie euch untertan,
Setzt den Fuß siegreich auf sie,*
Legt eure Hand auf
sie,*
nehmt sie in Besitz,*
unterwerft sie euch,*
tretet sie nieder,*
tut ihr Gewalt an,*
sie soll
euch hörig sein,*
und herrscht über die Fische im Meer,
über die Vögel unter dem Himmel,
über das Vieh,
über alles Getier das Auf Erden kriecht.
Schaltet über
sie,*
weist sie an,*
regiert sie,*
kommandiert
sie,*
herrschet unumschränkt über sie,*
unterjocht sie
schonungslos,*
tretet sie nieder,
Seht da, ich habe
euch gegeben
alle Pflanzen, die Samen bringen,
auf der
ganzen Erde, und
alle Bäume mit Früchten, die Samen
bringen
zu eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden
und
allen Vögeln unter dem Himmel und
allem Gewürm,
das auf Erden lebt,
habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung
gegeben.
Und es geschah so.
Und Gott sah an alles, was
er gemacht hatte,
und siehe, es war sehr gut. (Gen
1.27-31)
Der Mensch hat sich also dem von Gott
verliehenen "Herrschaftsauftrag" in der "Heiligen Schrift" der
Juden und Christen als in jeder nur denkbaren
Auslegungsmöglichkeit treu und gehorsam und angepaßt erwiesen.
Es
steht somit allen abmildernden Interpretationen zum Trotz
fest: Der jüdisch-christliche Anthropozentrismus der Bibel
rechtfertigt als mythisches Vehikel die hemmungslose
menschliche Gier und Grausamkeit in der Vergangenheit - und er
wird es weiter tun!
Theo Trautner
Bad Kissingen am 07. 12. 2013
Erklärungen und Hinweise:
Beim Jahreswechsel 2012/13 umfasste die
Weltbevölkerung rund 7,1 Milliarden Menschen. Rund ein Drittel
davon waren Christen. Und die Prognose der UNO geht mit Stand
2010 bis 2025 8,17 Milliarden aus, und bis 2100 10,9(!)
Milliarden Menschen
Der Begriff Anthropozentrismus definiert den
Menschen als Mittelpunkt der Schöpfung und des Weltgeschehs
Der Begriff thora
ist: hebräisch und wird mit Weisung des jüdischen Gottes Hahwe Anweisung übersetzt.
Der Begriff nomos ist griechisch und
bedeutet Gesetz.
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